Bei der Migräne spielen viele Faktoren eine Rolle. Die Forschung zeigt, dass die Mikrobiota-Darm-Hirn-Achse wahrscheinlich eine davon ist.

Was ist Migräne?
Die Migräne, eine Form starker Kopfschmerzen, gilt heute als eine Störung des Gehirns. Mehr als 10 % der niederländischen Bevölkerung, sowohl Männer als auch Frauen, erkranken jedes Jahr daran. Bei Frauen ist die Migräne jedoch mehr als doppelt so häufig, insbesondere im gebärfähigen Alter. Auch kleine Kinder können bereits Migräne bekommen.(1-3)

Noch unklar, wie Migräne entsteht
Wie die Migräne genau entsteht, ist noch nicht ganz klar. Menschen, die unter Migräne leiden, reagieren empfindlicher auf bestimmte Reize. Diese Überempfindlichkeit ist wahrscheinlich teilweise genetisch bedingt. Bei mehr als der Hälfte der Frauen spielt der hormonelle Zyklus eine Rolle. Darüber hinaus scheinen auch Stress, visuelle Reize, ein unregelmäßiges Leben und Schlafmangel in der Lage zu sein, eine Attacke auszulösen.(4) Inzwischen ist klar, dass während einer Migräneattacke das Gehirn, insbesondere der Hirnstamm, vorübergehend gestört wird. Dabei werden alle möglichen Signalstoffe freigesetzt, die die Nerven und Blutgefäße im Gehirn erregen. Dies führt zu Kopfschmerzen. Die medikamentöse Behandlung der Migräne zielt häufig auf diese Signalstoffe ab.(3,5)

Komorbidität: Depression und gastrointestinale Störungen
Migräne tritt häufig in Kombination mit anderen Erkrankungen auf. So haben Menschen, die an Migräne leiden, ein erhöhtes Risiko, eine Depression zu entwickeln, und Menschen mit Depressionen haben ein erhöhtes Risiko, an Migräne zu erkranken. Dies könnte daran liegen, dass beiden Zuständen die gleichen Mechanismen zugrunde liegen. Insbesondere Depressionen treten bei Menschen mit chronischer Migräne häufiger auf.(4,6)

Untersuchungen zeigen, dass Patienten mit Magen-Darm-Erkrankungen auch ein höheres Migräne-Risiko haben: PDS-Patienten leiden beispielsweise mehr als doppelt so häufig an Migräne wie gesunde Menschen.(7) Eine mögliche Ursache dafür könnte eine Störung der Darm-Hirn-Achse sein. Untersuchungen an einer kleinen Gruppe junger Frauen mit PDS, von denen die Hälfte unter Migräne litt, zeigten, dass sich die Darmmikrobiota der PDS-Patientinnen mit Migräne signifikant von derjenigen der PDS-Patientinnen ohne Migräne unterschied.(8) Magen-Darm-Symptome sind jedoch auch bei Menschen mit Migräne häufiger, selbst wenn sie keine Magen-Darm-Erkrankung haben. So sind zum Beispiel Übelkeit und Erbrechen während eines Migräneanfalls häufige Symptome.

Aufgrund des gleichzeitigen Auftretens von gastrointestinalen Symptomen und/oder Depressionen und Migräne wird seit einigen Jahren die Rolle der Mikrobiota-Darm-Hirn-Achse bei Migräne erforscht.(7,9) Allerdings ist der Umfang der Forschung noch begrenzt, so dass vieles unklar bleibt.

Die Mikrobiota bei Migräne
Es gibt Hinweise darauf, dass die Darmmikrobiota von Menschen mit Migräne gestört ist. Dies zeigte sich beispielsweise in einer Studie mit älteren Frauen, von denen die Hälfte unter Migräne litt. Ein Vergleich der Mikrobiota von Migränepatienten mit der von gesunden Kontrollpersonen zeigte, dass die erste Gruppe eine weniger vielfältige Darmmikrobiota hatte. Auch die Zusammensetzung war anders: Die Migränepatienten hatten weniger nützliche Bakterien in ihrem Darm als die gesunden Kontrollpersonen.(10)

Rolle der Mikrobiota-Darm-Hirn-Achse
Eine Dysbiose der Darmmikrobiota kann zu einer schlechteren Funktion der Darmbarriere führen. Dadurch können Stoffe in den Körper gelangen, die dort nicht hingehören. Diese können eine Entzündungsreaktion auslösen, bei der entzündungsfördernde Zytokine freigesetzt werden. Es ist bekannt, dass diese Substanzen die Enden der afferenten Nerven (die vom Körper zum Gehirn verlaufen) empfindlicher machen, so dass der Betroffene Schmerzen früher spürt.(9) Migränepatienten scheinen mehr entzündungsfördernde Substanzen im Blut zu haben als gesunde Kontrollpersonen, was eine Rolle bei der Auslösung von Migräneanfällen spielen könnte.(11,12)

Bestimmte Bakterien können kurzkettige Fettsäuren (KSF) produzieren. Erste Studien über die Darmmikrobiota von Migränepatienten zeigen jedoch, dass sie weniger Bakterien haben, die Liquor produzieren können. Dies könnte bei der Entstehung von Migräne eine Rolle spielen, da CSFA die Barrierefunktion des Darms verbessern und die Entzündungsreaktion im Körper hemmen können. Dies wurde zum Beispiel bei Mäusen nachgewiesen. Die orale Verabreichung von KKVZ an Mäuse mit Migräne trug zur Wiederherstellung der Darmbarriere bei und machte die Mäuse weniger schmerzempfindlich.(13,14)

Probiotika
Probiotika sind wie bestimmte Darmbakterien in der Lage, die Barrierefunktion des Darms zu verbessern und Entzündungsreaktionen im Körper zu verringern. Darüber hinaus sind Probiotika eine einfache Möglichkeit, die Dysbiose zu verbessern und die Produktion von Liquor anzuregen.(15) Die Wirkung von Probiotika bei Migräne ist jedoch noch nicht sehr gut erforscht, und die Ergebnisse sind uneinheitlich. In einer kleinen randomisierten klinischen Studie wurde kein signifikanter Unterschied zwischen der Probiotikagruppe und der Placebogruppe festgestellt.(16) Die erste bisher durchgeführte Metaanalyse zeigt ebenfalls keine signifikante Wirkung auf die Häufigkeit und Schwere der Migräne.

Offene Studien, bei denen keine Kontrollgruppe und kein Placebo verwendet werden, zeigen durchaus eine Wirkung: So zeigte eine Pilotstudie mit einem Multispezies-Probiotikum nach 12 Wochen einen signifikanten Rückgang der Migränetage.(16) Eine offene Studie mit mehr als 1.000 Migränepatienten zeigte ebenfalls einen signifikanten Rückgang der Migränetage. Darüber hinaus war auch ein signifikanter Rückgang des Schmerzmittelverbrauchs und der Kopfschmerzintensität festzustellen. Schließlich gingen migränebedingte Symptome wie Übelkeit und Lichtempfindlichkeit deutlich zurück.(17)

Probiotika scheinen also bei Migräne nützlich zu sein, aber es sind weitere Untersuchungen erforderlich, um diese Wirkung zu bestätigen und zu klären, ob manche Migränepatienten besser auf Probiotika ansprechen als andere und warum. Eine gute placebokontrollierte Forschung in dieser Gruppe ist jedoch schwierig, da der Placeboeffekt groß ist und die Schwere und der Verlauf der Anfälle sehr unterschiedlich sein können. Dies ist möglicherweise ein Grund, warum es bisher kaum erfolgreiche RCTs mit Probiotika bei Migräne gibt

Referenzen

1.           Migraine| Leeftijd en geslacht | Volksgezondheid en Zorg [Internet]. [geciteerd 17 november 2022]. Beschikbaar op:https://www.vzinfo.nl/migraine/leeftijd-en-geslacht

2.           Hoofdpijn| NHG-Richtlijnen [Internet]. [geciteerd 25 augustus 2022]. Beschikbaar op:https://richtlijnen.nhg.org/standaarden/hoofdpijn

3.           LUMC. Migraine | LUMC [Internet]. [geciteerd 27 juni 2022]. Beschikbaar op:https://www.lumc.nl/org/hoofdpijn-onderzoek/info-migraine/

4.           Migraine| Oorzaken en gevolgen | Volksgezondheid en Zorg [Internet]. [geciteerd 17 november 2022]. Beschikbaar op:https://www.vzinfo.nl/migraine/oorzaken-en-gevolgen

5.           Wat is migraine? [Internet]. Hersenstichting. [geciteerd 29 augustus 2022].Beschikbaar op: https://www.hersenstichting.nl/hersenaandoeningen/migraine/

6.           Amiri S, Behnezhad S, Azad E. Migraine headache and depression in adults: a systematic Review and Meta-analysis. neuropsychiatrie. 1 september2019;33(3):131–40.

7.           Welander NZ, Olivo G, Pisanu C, Rukh G, Schiöth HB, Mwinyi J. Migraine and gastrointestinal disorders in middle and old age: A UK Biobank study. Brain Behav. augustus 2021;11(8):e2291.

8.           Georgescu D, Reisz D, Gurban CV, Georgescu LA, Ionita I, Ancusa OE, e.a. Migraine in young females with irritable bowel syndrome: still a challenge. Neuropsychiatr Dis Treat. 20december 2017;14:21–8.

9.           Arzani M, Jahromi SR, Ghorbani Z, Vahabizad F, Martelletti P, Ghaemi A, e.a. Gut-brain Axis and migraine headache: a comprehensive review. J Headache Pain. 13 februari2020;21(1):15.

10.         Chen J, Wang Q, Wang A, Lin Z. Structural and Functional Characterization of the Gut Microbiota in Elderly Women With Migraine. Front Cell Infect Microbiol. 29 januari2020;9:470.

11.         Martami F, Razeghi Jahromi S, Togha M, Ghorbani Z, Seifishahpar M, Saidpour A. The serum level of inflammatory markers in chronic and episodic migraine: a case-control study. Neurol Sci Off J Ital Neurol Soc Ital Soc Clin Neurophysiol. oktober2018;39(10):1741–9.

12.         Kursun O, Yemisci M, van den Maagdenberg AMJM, Karatas H. Migraine and neuroinflammation: the inflammasome perspective. J Headache Pain. 10 juni 2021;22(1):55.

13.         Lanza M, Filippone A, Casili G, Giuffrè L, Scuderi SA, Paterniti I, e.a. Supplementation with SCFAs Re-Establishes Microbiota Composition and Attenuates Hyperalgesia and Pain in a Mouse Model of NTG-Induced Migraine. Int J Mol Sci. 27 april 2022;23(9):4847.

14.         Corrêa-Oliveira R, Fachi JL, Vieira A, Sato FT, Vinolo MAR. Regulation of immune cell function by short-chain fatty acids. Clin Transl Immunol. 22 april 2016;5(4):e73.

15.         Plaza-Diaz J,Ruiz-Ojeda FJ, Gil-Campos M, Gil A. Mechanisms of Action of Probiotics. AdvNutr. januari 2019;10(Suppl 1):S49–66.

16.         de Roos NM, Giezenaar CGT, Rovers JMP, Witteman BJM, Smits MG, van Hemert S. The effects of the multispecies probiotic mixture Ecologic®Barrier on migraine: results of an open-label pilot study. Benef Microbes. 2015;1(1):1–6.

17.         Straube A, Müller H, Stiegelbauer V, Frauwallner A. Migraine prophylaxis with a probiotic. Results of an uncontrolled observational study with 1,020 patients. MMW Fortschr Med.2018;160(Suppl 5):16–21.