Mitochondrien sind von zentraler Bedeutung für die optimale Funktion von Zellen, Organen und Organismen. Sowohl Vitamin D als auch Melatonin konzentrieren einen bedeutenden Teil ihrer Wirkung auf diese „Zellkraftwerke“, die eine wesentliche Rolle bei der Aufrechterhaltung einer angemessenen molekularen Dynamik und zellulären Physiologie hin. Über viele Äonen der Evolution hinweg haben Vitamin D und Melatonin in Organismen zusammen gelebt, wo sie gegenseitig vorteilhafte Wechselwirkungen entwickelt haben, unter anderem bei der Begrenzung von Entzündungen, der Eindämmung von oxidativem Stress und der Reduzierung von vorzeitiger Autophagie und Apoptose. In der heutigen Umwelt haben die meisten Menschen jedoch wahrscheinlich einen relativen Mangel sowohl an Vitamin D als auch an Melatonin, der sich im Rahmen der Long Covid Thematik besonders deutlich zeigt! Vitamin D und Melatonin greifen in gemeinsame Signalwege ein, die mit dem Schutz und der Aufrechterhaltung einer angemessenen Mitochondrienfunktion zusammenhängen – z.B. Erhöhung von AMPK, Nrf2, Hsp70 und Reduktion von mTOR, iNOS, NF-κB. Melatonin scheint die Signalwirkung von Vitamin D zu verstärken. Eine längerfristige Behandlung mit Melatonin scheint die Expression von bestimmten Vitamin D Rezeptoren (VDR) zu erhöhen. Vitamin D könnte jedoch eine negative regulatorische Wirkung auf Melatonin haben. Umgekehrt kann die nächtliche Sekretion von Melatonin nach einer dreimonatigen hochdosierten Vitamin-D-Supplementierung abnehmen. Ein Rückgang des Serumspiegels von Vitamin D3 kann mit einem Anstieg der Melatoninausschüttung in Verbindung gebracht werden.
Spikeproteine verursachen Stress im Endoplasmatischen Reticulum (ER Stress)
Prof. Dr. Bernhard Schieffer, Direktor der Klinik für Kardiologie, Angiologie und internistische Intensivmedizin am Universitätsklinikum Marburg, leitet u.a. die PostVac Ambulanz im Uniklinikum. In seinem Vortrag berichtet Prof. Dr. Schieffer über PostCOVID nach Infektion und Impfung, hierzu geht er auf seine Forschungsarbeit, die Ursachen und Probleme in der Behandlung und Therapiemöglichkeiten ein. Prof. Schieffer weißt in seinem Vortrag u.a. darauf hin, dass es bei Long Covid und Post Vac kein einheitliches Zytokin- oder Antikörper-Muster existiert welches diagnostisch verwertbar wäre.
Wichtige Faktoren seien aber der durch Spikeproteine verursachte Stress im Endoplasmatischen Reticulum (ER Stress) welcher u.a auch mit Veränderungen der dort produzierten Cholesterinmoleküle (verlieren ihre entgiftenden Eigenschaften!), kontinuierlicher Mastzellaktivierung, einer Mikrobiom-Dysbiose, einem Renin-Angiotensin-System -Ungleichgewicht (und einer hier leider nicht berücksichtigten mitochondrialen Funktionsstörung einhergeht).*
* Hinweis des Autors!
Die von Prof. Schieffer und seinen Kollegen (nach hochschulmedizinischen Standarts) bereits erfolgreich eingesetzte Therapie baut auf eine Dreifachintervention* mit …
- Angiotensin II-Typ 1-Rezeptor-Blockern (AT1-Blocker), welche in den vergangenen Jahren zunehmend in der Behandlung der chronischen Herzinsuffizienz zum Einsatz kommen,
- HMG-CoA-Reduktase-Hemmung* durch Statine
- und diätetischer Intervention (histaminarme Ernährung),
… um den Teufelskreis des vaskulären Zusammenspiels zwischen einem Renin-Angiotensin-System -Ungleichgewicht, einer kontinuierlichen Mastzellaktivierung mit einer Mikrobiom-Dysbiose zu durchbrechen, die vaskuläre Funktion wiederherzustellen und Entzündungen zu reduzieren.
Aus Sicht der „Functional Medicine“ und der „Orthomolekularen Medizin“ kämen hier z.B. auch Melatonin, Vitamin D3, die Aminosäuren Betain, N-Acetylcystein, Arginin,Taurin und eine solide Basisversorgung mit allen essentiellen Mikronährstoffen in Frage! Statine und Betablocker sind hier eher kontraproduktiv, da sie die Bereitstellung wichtiger Mitochondrien stabililisierenden Substanzen wie Melatonin und Coenzym Q10 behindern!
ER Stress
Bestimmte Faktoren wie Hypoxie, Ischämie, Nährstoffmangel, oxidativer Stress oder Umweltgifte (z.B. PFAS. per- und polyfluorierten Alkylsubstanzen) können zu einer Akkumulation von fehl- oder ungefalteten Proteinen im endoplasmatischen Retikulum (ER) und damit zu ER-Stress führen. Er-Stress kann des Weiteren durch Katecholamine (bzw. sympathikotonem Dauerstress), erhöhte Homocysteinspiegel, das SARS-CoV Spike Protein, zu viele Gesättigte Fettsäuren (und zu wenig ungesättigte, insbes. Omega-3-Fettsäuren), ein Vitamin-Mangel (Vitamine A, D3, B6, B12, Folsäure) und eine unzureichenden Aufnahme von bestimmten sekundären Pflanzenstoffe, den Polyphenolen mit verursacht, begünstigt und verstärkt werden.
Die Signalwege von ER-Stress und Entzündung sind über verschiedene Mechanismen miteinander verbunden. ER-Stress führt zu oxidativem und nitrosativem Stress, einer Überstimulation (und Schädigung) der Mitochondrien und kann eine Aktivierung des NLRP3- Inflamasoms („Alarmanlage“ des Immunsystems – u.a. über die Aktivierung des Transkriptionsfaktors NF-κB) bewirken!
Vitamin D3, Melatonin, Betain und verschiedene Polyphenole können dem ER-Stress entgegenwirken. Zu den Untersuchten Polyphenolen gehören u.a. wie das in Oliven enthaltene Hydroxytyrosol, Curcumin aus Curcuma longa oder Verbindungen aus Granatapfel, Kakao, Walnüssen und grünem Tee! Ungesättigte (insbesond. Omega-3-) Fettsäuren und Betahydroxybuthyrat können ebenfalls zum Schutz vor ER-Stress beitragen.
Leaky Gut, Tryptophan- und Serotoninmangel
Maayan Levy und sein Forscherteam von der Perelman School of Medicine in Philadelphia konnten durch eine Analyse von fünf Metabolom-Studien nachweisen, dass es während der akuten Erkrankungsphase von COVID-19 zu einem Abfall der Serotoninwerte im Blut kam, welcher bei Patienten mit Long COVID nach dem Abklingen der akuten Erkrankung anhielt. Der Mangel steht wahrscheinlich mit einer Aktivierung des angeborenen Immunsystems in Verbindung, dessen Zellen bei einer Virusinfektion Typ-1-Interferone freisetzen, welche ihre Wirkung in erster Linie die Darmschleimhaut entfalten. Dort wird Serotonin von enterochromaffinen Zellen aus der Aminosäure Tryptophan hergestellt. Typ-1-Interferone hemmen die Resorption von Tryptophan durch die Enterozyten der Darmschleimhaut. Den enterochromaffinen Zellen fehlte dann der Rohstoff für die Produktion von Serotonin. Eine Folge des Serotoninmangels ist eine Funktionsstörung der Thrombozyten. Eine weitere gravierende Folge ist ein Mangel an Melatonin!
* Bei Patienten mit Leaky Gut-Syndrom ist der Gehalt an Interferon-gamma in der Darmschleimhaut erhöht, was zu einem gestörten Serotonintransport führt!
Es gibt immer mehr Belege dafür, dass eine Dysbiose des Darms, eine erhöhte Darmdurchlässigkeit, auch bekannt als Leaky Gut, und eine erhöhte Aufnahme von bakteriellen Toxinen eine wichtige Rolle bei Long Covid und dem metabolischen Syndrom spielen. Das Coronavirus SARS-CoV-2 (und das Spike-Protein) schädigt die Darmschleimhautbarriere, verursacht oder verschlimmert das Leaky-Gut-Syndrom und fördert die Verlagerung von Bakterienprodukten wie Lipopolysacchariden (LPS) aus dem Darm in die Blutbahn. Dies erhöht die Exposition gegenüber Endotoxinen aus dem Darm. Endotoxine verstärken Entzündungsreaktionen auf Virusinfektionen! “Ein Übermaß an Endotoxin/LPS verursacht Sauerstoffmangel, Kreislaufstörungen, Makrophagenaktivierung, oxidativen Stress, stört die mitochondriale Atmung, scheint die Expression von Complex IV der Atmungskette selektiv zu verringern und führt schließlich auch zur Spaltung der Mitochondrien!
Melatonin wird in unseren Mitochondrien (Zellkraftwerken) aus dem „Glückshormon“ Serotonin gebildet und besitzt eine positive Wirkung auf verschiedene Aspekte des metabolischen Syndroms und des Long Covid Syndroms.
Darüber Hinaus weist Melatonin eine positive Wirkung auf die Funktion der Mitochondrien, des endoplasmatischen Reticulums und des NLRP3-Inflammasoms aus.
Ein weiterer wichtiger Schutzmechanismus von Melatonin auf Mitochondrien ist, dass Melatonin das mitochondriale Membranpotenzial beeinflusst. Neben dem Schutz der Mitochondrien beeinflusst Melatonin auch die Dynamik der Mitochondrien. Die täglichen Oszillationen der mitochondrialen Funktionen sowie der Morphologie scheinen gut mit dem zirkadianen Melatonin-Rhythmus übereinzustimmen. Melatonin reduziert die mitochondriale Spaltung und erhöht ihre Fusion, wodurch ihre normale Funktion erhalten bleibt (gilt auch für Betain, welches auch den Complex IV der Atmungskette reaktiviert!).
Melatonin beeinflusst Entzündungen u.a. auch über epigenetische Mechanismen – z.B. durch Hochregulierung von Schutz- und Reparaturfaktoren wie dem Enzym AMPK (AMP-aktivierte Proteinkinase), des Transkriptionsfaktors Nrf2 sowie des Hitzeschockproteins Hsp70, bei gleichzeitiger Herunterregulierung von iNOS (Stichwort: nitrosativer Stress) und proentzündlichen Transkriptionsfaktoren wie z.B. NF-kB (Kernfaktor Kappa B).
AMPK reguliert verschiedene metabolische und physiologische Prozesse (einschließlich Energiestoffwechsel, oxidativen/nitrosativen Stress, Entzündungen und der Abwehr von Viren). Melatonin hemmt langfristig Übergewicht und Adipositas sowie endokrine Funktionsstörungen des Fettgewebes (hohe Synthese von proinflammatorischen Zytokinen und Adipokinen, erhöhte Leptin- und verminderte Adiponectinsynthese). Melatonin* besitzt unter anderem blutdrucksenkende, mitochondrienregenerierende Wirkungen.
* gilt auch für Betain und Vitamin D3! Betain (Trimethylglycin – wichtig für Homocysteinsenkung und zusammen mit NADH für die Regulation weiterer Methylierungsprozesse, welche bei long Covid gestört sind!
Betablocker stören tiefen, erholsamen Schlaf!
Für Bluthochdruck-Patienten kann eine Melatoninbehandlung eine schonende Alternative zu Betarezeptorenblockern sein welche die Melatoninausschüttung ausbremsen. Das körpereigene Hormon reguliert nicht nur die Mitochondrienfunktion und den Schlaf-Wach-Rhythmus des Körpers (!) – es und kann nach Ansicht von Experten auch den Blutdruck senken. Melatonin kommt bei dieser Indikation nicht vornehmlich zur Behebung von Schlafstörungen zum Einsatz (wobei viele PVS- und Post COVID-Patient*innen aus somatischen Gründen begleitend unter diesen leiden). Dem Melatonin kommt in erster Linie ein immunmodulative, antioxidative und Mitochondrien unterstützende Aufgabe zu. Die Anti-Stress-Aminosäure Glycin (z.B. als Betain bzw- Trimethylglycin) fördert zusammen mit Taurin den Tiefschlaf und gesündere Blutdruckwerte!
Eine Stunde vor dem Schlafengehen keine PC-, Laptop- oder Smartphone-Nutzung!
Die Altlasten der Pandemie – Long-Covid aus Sicht des Kardiologen.
https://www.youtube.com/watch?v=IqK2SixsMbw
Mitochondria: the birth place, battle ground and the site of melatonin metabolism in cells
Mitochondria and melatonin
https://www.melatonin-research.net/index.php/MR/article/view/12
Melatonin: A Mitochondrial Targeting Molecule Involving Mitochondrial Protection and Dynamics
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC5187924/
Melatonin, mitochondria, and cellular bioenergetics
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/11270481/
Melatonin induced suppression of ER stress and mitochondrial dysfunction inhibited NLRP3 inflammasome activation in COPD mice
https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S0278691520304786
Melatonin inhibits the endoplasmic reticulum stress‑induced, C/EBP homologous protein‑mediated pathway in acute pancreatitis
https://www.spandidos-publications.com/10.3892/mmr.2020.11219
Serotonin minting new mitochondria in cortical neurons: implications for psychopathology
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC7688930/
Possible Application of Melatonin in Long COVID
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC9687267
Castle R.D., Williams M.A., Bushell W.C., Rindfleisch J.A., Peterson C.T., Marzolf J., Brouwer K., Mills P.J. Implications for Systemic Approaches to COVID-19: Effect Sizes of Remdesivir, Tocilizumab, Melatonin, Vitamin D3, and Meditation. J. Inflamm. Res. 2021;14:4859–4876. doi: 10.2147/JIR.S323356.
Long-term melatonin treatment attenuates body weight gain with aging in female mice
https://joe.bioscientifica.com/view/journals/joe/251/1/JOE-20-0462.xml
Melatoninbehandlung bei Bluthochdruck
Hyperhomocysteinemia alters cytokine gene expression, cytochrome c oxidase activity and oxidative stress in striatum and cerebellum of rodents https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/33774024/
Regulation of Cytochrome c Oxidase by Natural Compounds Resveratrol, (–)-Epicatechin, and Betaine
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC8229178/
Lipopolysaccharide Disrupts Mitochondrial Physiology in Skeletal Muscle via Disparate Effects on Sphingolipid Metabolism https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC4851226/
Daily and seasonal mitochondrial protection: Unraveling common possible mechanisms involving vitamin D and melatonin https://www.academia.edu/93601564/Daily_and_seasonal_mitochondrial_protection_Unraveling_common_possible_mechanisms_involving_vitamin_D_and_melatonin